Mit spitzer Feder …
Kennen Sie das? In schwierigen Zeiten verlieren wir manchmal die Freude und die Leichtigkeit des Lebens aus den Augen. Doch wie holen wir uns mehr Leichtigkeit ins Leben (zurück)? Wir können Leichtigkeit und Freude nur empfinden, wenn auch etwas Leichtes und Erfreuliches in unserer Realität – dem Hier und Jetzt – existiert. Doch leider ist es so, dass wir in schwierigen Phasen Schönes gar nicht wahrnehmen. Wenn uns Sorge und Nöte plagen, neigen wir dazu, uns ausschliesslich auf diese Probleme zu fixieren, bis wir meinen das Problem sei gelöst. Ich habe mir das mühsam abgewöhnt, und dieses lästige Muster mehrheitlich abgeschafft oder geändert: Gerade, wenn es mir nicht so gut geht, bemühe ich mich darum, noch achtsamer durch die Welt zu gehen und meine Sinne auf das Schöne auszurichten. Ich konzentriere mich extrem auf meine geliebte klassische Musik oder lasse mich von den intensiven Farben oder zauberhaften Formen der Natur beeindrucken. Ein Spaziergang durch die pittoreske Zofinger Altstadt mit ihren wunderschönen Brunnen, Dachgiebeln und kunsthistorischen Details wirkt da Wunder! Mit Disziplin und Hartnäckigkeit gelingt es ganz gut, sich solche Muster abzugewöhnen, obwohl es bis zu einem Punkt in unserer Natur liegt. Denn unser Gehirn ist so verdrahtet, dass es die Tendenz hat, sich auf Probleme zu fokussieren. Dies ist für uns überlebenswichtig, müssen wir doch frühzeitig erkennen, wo Gefahren drohen, und welche Bredouillen uns ereilen könnten. Dazu kommt, dass wir in einer komplexen Welt leben, in der im Prinzip permanent Gefahren auftreten können.
Aber eben wie gesagt unser Gehirn ist neuroplastisch, was bedeutet, dass wir nicht nur neue Tätigkeiten lernen können, sondern auch Haltungen und so auch aus Problemfokussierungen aussteigen können. Loslassen und in der Gegenwart leben – ohne Wenn und Aber – ist ein zauberhaftes Gefühl, das Flügel verleiht. Bewusst alltägliche Dinge verrichten. So atme ich beispielsweise den Duft der frischen Wäsche bewusst ein und nehme die Beschaffenheit der verschiedenen Materialen der Kleidungsstücke wahr, die ich konzentriert und sorgfältig zusammenlege – es ist wie eine Meditationsübung. Oder mit anderen Menschen liebevoll zusammen sein, ihnen genau zuhören und so ihre Energie und ihren Geist erfassen – eine Kunst, die nicht jeder beherrscht, die mich aber immer glücklich und zufrieden macht. Durch solche bewusste Alltagsaktivitäten wird keine künstliche Leichtigkeit erzeugt – denn das wäre Selbsttäuschung. Vielmehr trainieren wir ein Gespür für die kleinen, häufig übersehenen Freuden im Alltag zu entwickeln und sie bewusst zu erleben.
Ich fühle mich leicht, wenn ich meine Wohnung geputzt habe und so innerlich wie äusserlich alles geordnet habe. Auch Jackenfunde machen mich glücklich. Manchmal sind es Geldscheine (akutes Ich-bin-reich Gefühl), manchmal ein Bonbon (Naschkatzen lieben das) und manchmal Eintrittskarten, die mich jedes Mal eine kleine Zeitreise machen lassen. Ein Glücksgefühl erfasst mich jeweils am Morgen, wenn ich auf dem Bahnsteig stehe. Ich freue mich auf das bequeme Polster der Wagons der 1. Klasse, auf das leise Gemurmel der anderen Passagiere, die prächtigen Landschaften des Oberaargaus und des Emmentals, die an mir vorbeirauschen, und auf das aufregende Gefühl des Reisens. Zudem beglückt mich jeden Samstag auf den Markt im Städtchen das Aussuchen der frischen Rosen für die nächste Woche – ein Ritual, das ich nicht mehr missen möchte. Das absolute Highlight ist mein Abendspaziergang über den Heiteren oder an den Trottenweiher. Dann bin ich in absoluter Harmonie mit mir, wenn ich diese Düfte von Nadelhölzern, von Sonne und Asphalt einatme. Dann bin ich plötzlich wieder in meiner Kindheit, meiner Jugend. Ich nasche von den Johannisbeersträuchern, höre die Stimme meiner Mutter, das Lachen meines Bruders, sein blonder Schopf erscheint und ich schaukle noch schneller. Das ist jetzt weit weg. Ich atme noch tiefer ein, streife durch den Sommerabend. Ich fliege durch die Zeit – Glück pur.
Herzlichst,
Ihre Corinne Remund
Verlagsredaktorin