Wie trage ich, ohne es zu merken, zur Verkehrssicherheit bei und erhalte dafür eine Busse? Was nach einem ganz schlechten Ratgeber tönt, könnte der Titel einer Geschichte sein, die von einem mobilen Blitzer in St. Urban (LU) handelt.
Dicke Post im Luzerner Hinterland: Im Oktober landeten zahlreiche Couverts der Kantonspolizei Luzern in den Briefkästen rund um St. Urban (LU). Prall gefüllt mit Geschwindigkeitsbussen. Der Schweizerischen Gewerbezeitung sgz sind Dutzende Fälle bekannt, in denen Personen mehrfach geblitzt wurden – teilweise vier-mal am selben Tag! Betroffen davon sind auch viele Gewerbebetriebe.
Wie kann es passieren, dass so viele Autofahrer mehrfach in die gleiche Radarfalle tappen? Die Antwort heisst Infrarotblitz. Während rund einer Woche im September hatte die Kantonspolizei an der Altbürerstrasse zwischen St. Urban und Altbüron einen mobilen Blitzer installiert. Das spricht sich in der Regel schnell herum. Nicht so in diesem Fall. Das Gerät war offenbar sehr klein, dicht an einem Hinweisschild einer Gasleitung positioniert und blitzte eben mit Infrarot. Also ohne sichtbaren Blitz. Die Autofahrer, die zu schnell unterwegs waren, erfuhren erst rund einen Monat später von ihrem «Glück» – und wurden insgesamt um mehrere tausend Franken erleichtert. Wenn nicht noch mehr…
Das nervt, ist aber noch nicht alles. Schliesslich sind Blitzer, richtig angewendet, ein legitimes Mittel. Aber: Die Strasse führt an diesem Ort schnurgerade über offenes Gelände (vgl. Bild). Keine Gefahr durch enge Kurven, schlechte Sicht oder Fussgänger. «Das ist totaler Abriss und gilt nicht mehr der Sicherheit!», ärgert sich ein Gewerbler, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte. Die KMU-Chefs wollen sich nicht öffentlich äussern. Sie befürchten, dass die Polizei dann ein Auge auf sie wirft.
Die Schweizerische Gewerbezeitung sgz hat Kenntnis von 103 Bussen, 55 davon betreffen Gewerbebetriebe. Effektiv blitzte es wohl deutlich mehr als 103-mal. Detaillierte Auswertungen zu Radarkontrollen führt die Kantonspolizei Luzern jedoch nicht. Wichtig zu erwähnen: Der Löwenanteil der Bussen betrug 40 Franken, was einer Übertretung von 1 bis 5 km/h entspricht. Wir sprechen also nicht von Rasern.
Am Ziel vorbeigeblitzt
Kontrollen sind zur Prävention da und sollen die Verkehrssicherheit gewährleisten. Im vorliegenden Fall bleibt ein fader Beigeschmack. Der Geschmack nach Geldmacherei mit Geschwindigkeitskontrollen. Der Vorwurf: Ein Blitzer macht an einer absolut ungefährlichen Stelle keinen Sinn und erhöht die Verkehrssicherheit nicht. Weil die Stelle gar nicht gefährlich ist. Dass der Blitzer während einer Woche stehen blieb, sorgte auch nicht für mehr Verständnis.
Die Radarfalle als Mittel zur Geldbeschaffung? Reto Cavegn, Geschäftsführer des TCS Zürich, hat zu solchen Aktionen eine klare Meinung: «Radarkästen an übersichtlichen Strecken, auf denen es keine Fussgänger gibt, sind reine Schikane.» Kontrollen würden dann Sinn machen, wenn es um gefährliche Stellen oder exponierte Orte gehe. «Zum Beispiel Schulhäuser, Kindergärten und Fussgängerübergänge», so Cavegn. Kein Problem hat ermit Infrarotblitzern. «Für mich ist das optische Signal nicht unbedingt notwendig. Teilweise sind in der Nacht die grellen Blitzlichter sogar gefährlich.»
Wo dürfen mobile Blitzer aufgestellt werden? Urs Wigger, Mediensprecher der Kantonspolizei Luzern: «Überall dort, wo Verkehrsberuhigung Sinn macht. Beispielsweise auch im Bereich von Schulhäusern und Betagtenzentren.» Auch auf Gesuche oder Hinweise von Anwohnern oder Gemeindebehörden hin könnten Geschwindigkeitskontrollen gemacht werden. Alles für ein Ziel: «Zur Erhöhung der Verkehrssicherheit.»
Die Polizei hat sich an das Gesetz der Verhältnismässigkeit zu halten. Wurde auf dieser Strasse durch dieses Vorgehen auf offenem Gelände, fernab von Schulhäusern und Fussgängerstreifen, die Verkehrssicherheitwirklich erhöht?
In St. Urban hat man Zweifel.
Adrian Uhlmann